
Viele Menschen möchten eine Fremdsprache sprechen, ohne sich mit Grammatik zu beschäftigen. Das klingt verlockend – und manchmal scheint es sogar zu funktionieren. Doch wie weit kommt man wirklich mit ein paar auswendig gelernten Sätzen? Grammatik zu lernen ist mehr als ein Regelwerk: sie ist der Schlüssel, um Gedanken klar, präzise und lebendig in einer anderen Sprache zu formulieren. Warum das so ist – und wie Grammatik das Fundament für echte Kommunikation bildet – darum geht es in diesem Beitrag.
Wenn es um das Lernen von Fremdsprachen geht, vermeiden sowohl Lehrende als auch manche Lernende das Wort „Grammatik“. Es weist auf etwas hin, das als schwer, langweilig und vielleicht zu kompliziert gilt. Heutzutage möchten die meisten Lernenden vor allem sprechen, sich unterhalten und Spaß an der Sprache „ohne Mühe“ haben – ohne Grammatik zu lernen.
Sprache kann natürlich Spaß machen. Doch wer die Grammatik meidet, wird feststellen, dass dieser Spaß oft nicht dauerhaft ist. In Alltagssituationen reichen ein paar auswendig gelernte Sätze nicht aus, um ein Gespräch zu führen, das über Wetter und Befinden hinausgeht. Grammatik – zusammen mit einem noch engen, aber hinreichenden Wortschatz – ermöglicht es, nicht nur oberflächlich zu sprechen. Sie erlaubt, eigene Gedanken mitzuteilen: vielleicht einfach, aber echt.
Nach Ansicht der Gegner eines grammatikorientierten Ansatzes ist es in jeder Sprache möglich, feste Wendungen und situationsgerechte Ausdrücke zu lernen. Diese sollen später zu einer höheren Sprachkompetenz führen. Das Problem dieser Sichtweise liegt in der Annahme, dass Lernende auch ohne Kenntnisse der Sprachregeln sowie der nötigen Konjugations- und Deklinationsformen erfolgreich kommunizieren können.
Falls jemand zum Beispiel nur die Formen der ersten und zweiten Person jedes Ausdrucks lernt, sei es auf Ungarisch „Hogy vagy?“ (‚Wie geht‘s dir?‘) oder „Jól vagyok“ (‚Es geht mir gut.‘), er würde mit einer peinlichen Situation konfrontiert sein, wenn es mehrere Gesprächspartner gibt. In diesem Fall bräuchte er die zweite Person Mehrzahl auch, „Hogy vagytok?“ (‚Wie geht‘s euch?‘), es sei denn, er muss die Gesprächspartner siezen. Dann brauchte er den Satz „Hogy vannak?“ – wieder eine neue Form des Verbs „lenni“ (‚sein‘).
Alle Sätze auswendig zu lernen ist unmöglich und auch nicht nötig. Wenn der Lernende sich an die Logik der Fremdsprache zu gewöhnen sucht und sich bemüht, die Denkweise der Sprache zu entdecken, wird es immer einfacher sein, seine Kenntnisse weiterzuentwickeln – ohne zu wenig oder zu viel im Gedächtnis behalten zu müssen. Das Verb „sein“ taucht in allen Sprachen überall auf. Es lohnt sich, alle Formen zu lernen, damit wir sie immer passend anwenden können. Die erste und zweite Person Formen reichen nicht. Das heißt aber auch nicht, dass wir diese Formen ohne ein Muster lernen müssen. Im Ungarischen zum Beispiel macht es Sinn, die Personalendungen oder die Kasusendungen so zu lernen, dass sie an andere Wörter derselben Art angehängt werden können – wie auch in der deutschen oder französischen Verbkonjugation.
Es stimmt auch: Grammatikfokussiertes Lernen liefert keine sofortigen Ergebnisse. Es macht nicht immer Spaß. Es erfordert Fokus und Hingabe. Doch genau deshalb schafft es ein stabiles Fundament, auf dem sich die Sprachfähigkeiten – auch das Sprechen – langfristig entwickeln können. Solch eine Art von Kenntnis fördert auch das autonome Lernen. Durch das Erkennen des Sprachsystems entdeckt und korrigiert man die eigenen Fehler besser, was die Sprachkompetenz steigert und dem Lernenden dabei behilflich ist, den eigenen Weg des Lernens einzuschlagen.
Mit „grammatikfokussiert“ meine ich nicht das kontext- und situationsunabhängige Üben isolierter Regeln. Das ist es, was die meisten mit Grammatiklernen verbinden. Ich hingegen vermittle Grammatik so, dass sie zum Lernziel passt und stets im situativen und thematischen Kontext geübt wird.
Grammatik ist für mich ein Horizont der Möglichkeiten. Auf diesem Horizont können wir auf unsere Perspektive deuten. Wir können unsere Bedürfnisse und Anliegen, unsere Vorhaben, Geschichte und Meinung, unser Verhältnis zu anderen und zu uns selbst formulieren. All dies geschieht im Einklang mit dem entsprechenden Wortschatz und den festen Wendungen, die in allen Sprachen existieren. Die Grammatik erlaubt dem Lernenden, den eigenen Sprachcharakter seiner Persönlichkeit zu entwickeln, insofern wir so viele Menschen sind wie die Zahl der Sprachen, die wir sprechen. Mit der Beachtung und Anwendung der Sprachregeln können wir unsere Gedanken und Eindrücke immer mehr und feiner konzipieren, als wenn wir uns auf auswendig gelernte Ausdrücke verlassen würden – auch wenn es mehr Zeit und Geduld braucht, solche Sprachphänomene zu erschließen und die davon abgeleiteten Regeln zu lernen.
Grammatik trägt die Logik und Klarheit einer Sprache in sich. Wir müssen sie verstehen lernen, um uns in dieser Sprache klar und sinngemäß verständigen zu können. Deshalb sind meine Stunden immer darauf ausgerichtet, die komplexe Welt der ungarischen oder englischen Grammatik so zu vermitteln, dass Lernende ihre eigene Welt, ihre eigenen Gefühle und Gedanken in einer anderen Sprache formulieren können.
Darum finde ich, dass es wichtig ist, Grammatik zu lernen – nicht um der Grammatik willen, sondern um des Lernenden willen. Die Menschen verstehen wir durch ihre Sprache, und wir können uns auch nur dann verständigen suchen, wenn wir die Sprache verstehen. Die Grammatik öffnet den Weg dazu.
Wenn Sie mehr über den Ungarischunterricht mit Fokus auf Grammatik erfahren möchten, lesen Sie weiter auf der Seite Ungarisch als Fremdsprache.
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